Endlich: Eine CO2-Abgabe!

Worum ging der Streit: Steuer oder Zertifikate? Kompromiss Mindestpreis

In jahrelangen Diskussionen über wirksame Klimaschutzpolitik hat sich eine breite Mehrheit auf ein ökonomisches Instrument verständigt: Statt Ge- und Verboten soll eine finanzielle Belastung für THG-Schädigungen, verbunden mit einem sozialen Ausgleich, den Klimaschutz fördern und das Verhalten der Menschen beeinflussen. (Das fordern auch das Netzwerk Flexperten schon lange und ist daher Mitglied beim Verein CO2-Abgabe e.V..)

Wie funktioniert das? Worüber streitet die Politik?

Mit einer CO2-Abgabe wird einerseits die Schädigung ausgeglichen, die der Emittent zu Lasten Anderer verursacht, die „externen Effekte“. Ökonomisch gesprochen, wird damit der ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteil ausgeglichen, den ein Schädiger durch die Verlagerung von Umweltkosten auf die Allgemeinheit erreicht (Externalisierung von Umweltschäden).

Damit wird der Konsum klimaschädlicher Produkte verteuert, die Konsumenten werden sich leichter für klimaschonende Produkte entscheiden. Mit den Einnahmen kann man Klimaschutzprojekte finanzieren, sozialen Ausgleich für die Verteuerung von unverzichtbaren Produkten schaffen, oder den StAU-Dschungel im Energierecht durchforsten (Steuern, Abgaben, Umlagen).

Viele THG-Emissionen kommen aus Gebäuden oder technischen Anlagen mit langer Lebensdauer. Solche Investitionsgüter werden am kostengünstigsten auf klimaschonende Technologien umgestellt, wenn sie von Zeit zu Zeit ohnehin erneuert werden müssen. In diesem Moment kommt es darauf an, mit welchen Erwartungen der Investor in Zukunft rechnet: Wie teuer wird es, viel Energie zu verbrauchen? Wie viel kostet es jetzt, die Emissionen zu vermeiden?

Um einen Steuerungseffekt zu erreichen, muss die Klimaschutzabgabe auf längere Zeit verlässlich festgelegt werden. Mit einer solchen Gewissheit werden sich energiesparende, CO2-ärmere Investitionen dann ökonomisch rechnen. Mit den Änderungen im Entscheidungs­verhalten bei Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen wird die gesamte private, gewerbliche und öffentliche Infrastrukturausstattung in die richtige Richtung umgebaut, weil sich das langfristig auszahlt.

Auch die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit von Unternehmen wird solche Steuerungsimpulse übernehmen.

Die Idee einer Verschmutzungsabgabe wurde vom Ökonomen Arthur Cecil Pigou schon 1920 vorgestellt. Weitsichtige Politiker wie z.B. Ernst-Ulrich von Weizsäcker haben seit den Achtzigerjahren unermüdlich eine Abgabe für klimaschädliche Emissionen gefordert.

Ein halbes Jahrhundert nach Pigou waren die Amerikaner Crocker und Dales auf die Idee gekommen, die maximale Verschmutzung durch alle gesetzlich festzulegen. Dem Markt solle überlassen werden, wer zu welchem Preis bereit sein würde, seine Verschmutzungen zu reduzieren. Das mindert die gesellschaftlichen Kosten, weil sich beim Zertifikatehandel die Abgabenhöhe im Markt herausbilden kann, bei der ein gewünschtes Umweltziel erreicht wird.

Die praktische Umsetzung war der bisherigen Zertifikatehandel (EU-ETS – Emission Trading System) für die CO2-Emissionen aus Stromerzeugung und Grundstoffindustrie. Doch das Instrument ist komplex und die Handhabung war von erheblichen Problemen belastet. Erst 15 Jahre nach dem Start wurde 2018 die Menge der Emissionszertifikate so stark reduziert, dass man von einer nachhaltigen Lenkungswirkung ausgehen kann.

Derzeit möchte eine Mehrheit in der CDU/CSU diesen Zertifikatehandel auf die Emissionen aus Heizung und Verkehr erweitern. Man könne so die Emissionsreduzierung gut steuern und die Abgabenhöhe marktorientiert ermitteln. Das wolle man auch auf nationaler Ebene beginnen und später auf Europa erweitern.

Die Union lehnt die von der SPD vorgeschlagene Abgabenlösung abgelehnt, auch weil sie als Reizthema „Steuerhöhung“ erscheint.

Das Netzwerk Flexperten warnt:

Der Zertifikatehandel kann viel Zeit kosten, bis er wirksam wird. Schon die technische Einrichtung braucht Zeit und es dauert dann, bis sich ein Preis-Nachfrage-Ausgleich herausgebildet hat.

Und:

Auf einem freien Zertifikatemarkt müssen sich die CO2-Preise erst herausbilden. Damit sind die Preise bzw. die mit der Emissionsminderung erzielten Kostenminderungen nicht langfristig kalkulierbar.

Die mittelständischen Unternehmen, Hauseigentümer und Investoren haben keine Spezialabteilungen für die Marktbeurteilung. Sie brauchen, mehr als alles andere, einen verlässlichen Kalkulationsrahmen für ihre Investitionsplanung.

Banken und Investoren, die mittelfristige Investitionen (mit-)finanzieren sollen, brauchen feste Größen für die erzielbaren Einsparungen und Renditen. Fehlen diese, dann wird mit mehr Wagnisaufschlag kalkuliert und die Kredite verteuern sich.

Die Unsicherheit bildet ein unkalkulierbares Investitionshemmnis. Das führt zu vermeidbaren Risikozuschlägen, zu weiteren Verzögerungen und damit zu einer Benachteiligung des Mittelstands. Manche erwünschte Investition würden ganz unterbleiben.

Dagegen hilft nur, zunächst eine ambitionierte Preisuntergrenze festzulegen, die – wie eine denkbare Abgabe oder Steuer – auf eine langfristig festgelegte Weise ansteigt und damit kalkulierbar wird.

Wird eine eindeutige Untergrenze, oder gleich eine feste THG-Abgabe mit einer vorher festgelegten kontinuierlichen Steigerung beschlossen, dann könnten auch bei geringer Einstiegshöhe alle langfristigen Investitionen mit wesentlich geringeren Risikokosten kalkuliert werden. Dies wäre eine wichtige Hilfe für den unternehmerischen Mittelstand.

Mittelfristig kann man den EU-Zertifikatehandel immer noch ausweiten und auf europäischer Ebene etablieren.

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Aus diesen Gründen ist der Rat der renommiertesten Wissenschaftler des Landes sehr zu empfehlen. Im Trialog der Wissenschaftsakademien Akatech, Leopoldina und der Union der Wissenschaftsakademien wurde genau dazu eine klare Empfehlung ausgearbeitet und am 2. September der Öffentlichkeit vorgestellt:

(https://energiesysteme-zukunft.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/PDFs/ESYS_Impuls_Marktdesign.pdf)

Die Übergangszeit auf einen Emissionshandel kann 5 – 10 Jahre dauern. Eine für die Zwischenzeit festgelegte CO2-Abgabe würden verhindern, dass wertvolle Jahre verloren gehen, in denen weiterhin Investitionen nicht effizient gelenkt würden.

Jede Abgabe sollte dynamisch sein und schon von Anfang an einen waschsenden Mindestwert festlegen, der innerhalb von etwa 10 Jahren die gesellschaftlich bekannten Kosten der CO2-Emissionen erreichen sollte.

Das Risiko eines „Fehlers“ ist gering: Wirkt die Abgabe nicht, kann sie gesteigert werden. Ist sie hingegen so wirksam, dass die Klimaschutzziele übertroffen werden, ist das bei der Dringlichkeit des Themas kein Problem.

Die gesellschaftliche Akzeptanz ist wahrscheinlich sehr hoch, wenn damit das Steuer-, Abgaben- und Umlagesystem reformiert und vor Allem: drastisch auf überflüssige Bürokratie durchforstet wird.

Die Bevölkerung erwartet einen Ausgleich für sozial schwache Haushalte und Pendler. Das lässt sich durch Entlastung der Stromkosten (siehe StAU), durch eine angepasste Pendlerpauschale und einen geringen Aufschlag auf die Transferzahlungen (Hartz IV, Mindestlohn, Kleinrenten) effizient erreichen.

Beides kann mit den Einnahmen finanziert werden. Auszahlung eines pro-Kopf-Festbetrags ist dann nicht mehr nötig. Damit wird sich auch der Koalitionspartner zufriedengeben.

Auch dieser soziale Ausgleich würde bei einem Zertifikatehandel wesentlich erschwert, weil nicht feststeht, in welcher Höhe er nötig wird. Man müsste erst die Preisbildung abwarten und kann dann erst kompensieren.